Tracks für einen Videospiel Soundtrack schreiben
Erläuterung von Gianny Abel
Soundtracks allgemein
Beim Komponieren für Videospiele darf eine Sache nicht vergessen werden: Man schreibt einen Soundtrack und nicht einen Haufen einzelner Lieder. Man hat daher am besten schon von Anfang an eine grobe Vorstellung, in welche Richtung sich der gesamte Soundtrack bewegen soll. Dabei sollte man sich Gedanken machen über: Wie umfangreich wird der Soundtrack? Welche Tracks müssen priorisiert werden? Welches Spiele-Genre soll es sein, schreibe ich für ein Jump and Run oder einen LKW-Simulator? Spielt das Spiel in der Zukunft, in der Vergangenheit, oder in einer fiktiven Zeit? Gerade die gewählte Zeit kann die Wahl der Instrumente beeinflussen, Synthesizer für die Zukunft, Akustik für Vergangenheit. Spielt das Spiel vielleicht an einem bestimmten Ort? Beispiel: Fire Emblem Fates mit dem eher europäischen Nohr und dem japanisch angelehnten Hoshido. Die Soundtracks der Gebiete setzen sehr auf für Europa bzw. Japan typische Klangmuster.
Diese Vorüberlegungen schaffen einen groben Orientierungsrahmen, der den großen Berg an Tracks in kleinere Etappen zerlegt und einem bei der Entscheidung hilft, welches Lied man wie gestalten möchte. Natürlich könnt ihr unmöglich den gesamten Soundtrack von Anfang bis Ende durchplanen, da sich jederzeit spontane Einfälle oder Änderungen ergeben können, dennoch sind die Grundgedanken für die Gestaltungsidee von großem Wert.
Komponieren für Elements Destiny
RPGs haben in der Regel aufgrund ihres besonderen Umfangs auch umfangreichere Soundtracks. Eine Vielzahl verschiedener Gebietsthemes, Charakterthemes, Battle-Themes, Stimmungs-Tracks für Dialoge etc. Hier haben wir bereits früh angefangen zu priorisieren und haben an erste Stelle die Battle-Themes gesetzt, da die Spieler den Battle Screen mitunter am Häufigsten sehen werden. Die gleiche Prio erhielten die Charakterthemes der vier Hauptcharaktere. Dies hat den Grund, dass wir in dem Soundtrack viel mit Leitmotiven arbeiten (dazu später mehr) und bereits früh für jeden Charakter ein solches etablieren wollten. Da Elements Destiny ein Fantasy RPG ist, haben wir uns hier entsprechend für typische Fantasy Elemente entschieden, also zum Beispiel ein Hang zu epischen Tracks, orchestrale Instrumentalisierung, etc. Da es aber auch in einer fiktiven, nicht klar definierten Zeit spielt, hatten wir zudem die Freiheit eher moderne Instrumente wie Synthies und E-Gitarren zu verwenden. Zudem bereist man eine Vielzahl verschiedener Orte, die an real existierende Kulturen angelegt sind, was uns ermöglicht hat “ortstypische” Genres zu erkunden und uns mehr vom klassischen Grundrahmen “Fantasy” zu entfernen. Dies hat unter anderem zur Folge, dass sich einzelne Tracks stärker voneinander abheben und der Soundtrack so insgesamt noch vielfältiger erscheint.
Leitmotive
Bevor ich auf den konkreten Track eingehe, sei noch etwas zu Leitmotiven gesagt, denn die sind beim Soundtrack erstellen euer bester Freund. Ein Leitmotiv ist der Leitgedanke innerhalb eines Liedes und eines Soundtracks, meistens eine kurze Melodie, die immer und immer wieder aufgegriffen und/oder variiert wird. Der große Vorteil von Leitmotiven ist, dass sie eurem Soundtrack ein (eventuell auch unterbewusstes) Gefühl von Einheitlichkeit und Zusammengehörigkeit verleihen. Insbesondere wenn, wie bei ED, mehrere Komponisten am Projekt arbeiten sind diese sehr hilfreich, da ansonsten die Gefahr besteht, dass durch die unterschiedlichen Stile der Komponisten die Lieder unzusammenhängend wirken. Wir haben für den Soundtrack ein generelles Leitmotiv entwickelt, das über allem schwebt, einzelne Leitmotive als Erkennungsmerkmal für die Charaktere und ähnliche wie bei Fire Emblem auch Leitmotive für Gebiete. Hört doch mal zum Beispiel in das Charakter-Theme von Lia rein, vielleicht könnt ihr das Leitmotiv ja heraushören?
Der Track: Die Idee
Jeder Track beginnt mit einer Idee. Manchmal kann es schon eine Herausforderung sein, diese zu finden oder sich für eine zu entscheiden. Um die Richtung festzulegen bietet es sich an, zur Inspiration Lieder aus den Soundtracks anderer Spiele anzuhören, welche man sich in dieser Situation gut vorstellen könnte. Fans des jeweiligen Genres sollen sich idealerweise bei eurem Soundtrack direkt zu Hause fühlen. Häufig hilft es auch, sich einfach “zur Inspiration zu klimpern”. Probiert auf eurem Instrument oder in eurem Programm etwas herum, bis ihr etwas Interessantes findet. Wenn ihr bereits Lieder für den Soundtrack geschrieben hat, wird diese Arbeit immer leichter, da ihr anfangen könnt die Ideen und Motive von bereits geschrieben Tracks wiederaufzugreifen. Wenn ihr mal in einem kreativen Tief seid: Keine Sorge! Das ist völlig normal und geht wieder weg, es gibt Wochen in denen ich vier Lieder schreibe und Wochen in denen ich keines zustande kriege.
Die Herangehensweise
Tracks schreiben ist etwas sehr Individuelles und deswegen kann ich euch leider keinen Königsweg geben, aber ich versuche euch zu beschreiben, wie ich für gewöhnlich ein Lied von Anfang bis Ende erstelle:
Nachdem ich auf eine Idee gekommen bin, versuch ich zuerst diese bestmöglichst auszuschmücken, auch wenn der jeweilige Part im späteren Lied erst mittendrin spielt. Dazu fange ich mit einer Lead-Stimme an und ergänze früh Drums und Bass, das Fundament von jedem Lied. Auch wenn ihr euch noch in der Ideen-Phase befindet, fangt früh an eure Tracks “aufzuräumen”! Stellt sicher, dass überflüssige Elemente entfernt sind, alles innerhalb des Rhythmus liegt, dass die Lautstärken dort sind wo sie sein sollen und so weiter. Das erspart euch am Ende, wenn ihr den Track abfertigt und mischt, eine Menge Kopfzerbrechen!
Wenn ich mit diesem Prototypen zufrieden bin fange ich an, mir über Struktur Gedanken zu machen. Wann im Lied soll dieser Teil, den ich gerade geschrieben habe, spielen? Ist es Teil der Strophe oder des Refrains? Will ich diesen Teil noch weiter aufbauen oder ist er vielleicht schon der Höhepunkt und braucht seinerseits einen vorbereitenden Aufbau? Dann baue ich mir von dort den Rest des Liedes Stück für Stück zusammen.
Jetzt habe ich mir eine erste Demo zusammengeschrieben. Die höre ich mir jetzt einfach rauf und runter an und mache mir (gedankliche) Notizen, welche Teile gut funktionieren und welche nicht. Zeigt diese Demos gerne auch anderen Leuten! Auch wenn sie euch vielleicht keine konkreten Tips geben können, merkt ihr durch ihre Reaktion früh, ob eine Idee ankommt, oder nicht und welche Parts besonders ankommen.
Nachdem ich mir meine Demos immer und immer wieder angehört habe wird es Zeit für das Finetuning. Das heißt vor allem ein letztes Mal den Track aufzuräumen und das Ganze abzumischen und zu mastern (Mixen = abmischen des konkreten Liedes, Mastern = sicherstellen, dass es sich von der Lautstärke nicht von anderen Tracks im Soundtrack unterscheidet). An dieser Stelle zahlt eine durchgezogene Ordnung sich wirklich aus. Je ordentlicher die Komposition, umso einfacher das Mischen. Wenn ihr Glück habt, habt ihr wie wir auch einen Produzenten, der euch das Mastern und teilweise auch das Mixen abnehmen kann.
Beispieltrack: Katakomben von Yangalev
Im Folgenden werde ich euch am Beispiel des Gebiets-Tracks für die “Katakomben von Yangalev”, einem feurigen Dungeon, den Entstehungsprozess eines Musikstücks einmal näher zeigen. Beginnen wir daher mit der …
1. Katakomben von Yangalev – Vers Demo
In diesem Stadium ist der Grund Vibe da: Langsam, getragen, fett und warm. Es gibt aber noch keine melodische oder rhythmische Ausarbeitung. Insgesamt passiert hier schon viel und der Track geht noch in diverse, verschiedene Richtungen. Entsprechend wurde dieser Teil später abgespeckt und fokussierter. Dabei habe ich Ideen aus dem B-Part übernommen, wie den Triolenrhythmus am Ende jedes vierten Taktes, damit das Ganze noch zusammenhängender klingt.
2. Katakomben von Yangalev – Chorus Demo
Auch für den Chorus ist die Idee schon gegeben: Ein Tempo-Wechsel, das Haupt-Gimmick des Tracks. Im Vergleich zur aktuellen Version ist dieser hier noch relativ soft. Der Gedanke war, den Kontrast zwischen den beiden Parts noch stärker hervorzuheben und den „Chorus“ oder B-Part noch aggressiver und explosiver klingen zu lassen. Daher sind in der finalen Version die Übergangstakte noch subtiler, damit der Tempowechsel umso plötzlicher kommt, und der eigentliche Einstieg in den B-Part wesentlich kräftiger und plötzlicher auftritt. Außerdem gibt es jetzt Flammen und Fackel Special-Effects (SFX), passend zu einem Feuerdungeon und dem geplanten Gameplay..
3. Katakomben von Yangalev – Demo PreMastering
Das ist die finale Version des Tracks, bevor er abgemischt und gemastered wurde. Ihr merkt, dass im Vergleich zur fertig produzierten Version der Sound relativ „zusammengematscht“ klingt. Ziel des Abmischens ist es, diesen Matsch zu entfernen und den Stimmen mehr Raum zum „atmen“ zu geben, insbesondere Equalizer und Kompressoren sind hierbei eure besten Freunde. Zudem hat unser Produzent Andras noch einen coolen Stereo Effekt auf den Track gelegt: Dieser sorgt dafür, dass es danach klingt, als ob sich der Track passend zum Start des Chorus/B-Parts noch einmal räumlich mehr entfaltet!
4. Katakomben von Yangalev – Final
Und hier schließlich die finale Version des Tracks. Wir finden, er macht richtig Lust auf ein feuriges Gebiet!
Ich hoffe, diese Einblicke können euch zumindest etwas weiterhelfen, wenn ihr selber daran interessiert seid, Musik für Videospiele zu schreiben! Ich will am Ende nochmal betonen, dass jeder Komponist hier seine ganz eigene Herangehensweise hat, da Musik und sie zu Schreiben etwas sehr Individuelles ist. Lasst euch deswegen nicht irritieren, wenn eure Art Musik zu schreiben sich nicht mit der Art deckt wie andere Komponisten dies vielleicht tun. Glaubt an eure Ideen und steht dazu! Und habt vor allem Spaß dabei!